Geschrieben am 20.11.2022

«Das Senioritäts- Prinzip fördert die Sicherheit wie kein anderes, da es mit der Just Culture ein elementarer Baustein dafür ist, ein Arbeiten ohne Angst vor möglichen Konsequenzen wegen Fehlern zu ermöglichen.»
Von Lieblingen und Performern
Wahrscheinlich mag jeder von uns Beförderungen. Sie bringen mehr Geld, mehr Macht, mehr Prestige mit sich. In der freien Wirtschaft gibt es verschiedenste Kriterien, nach denen Beförderungen vergeben werden. Bei uns wird nach dem Senioritätsprinzip verfahren. Ein Relikt aus alten Zeiten oder ein Baustein der Sicherheit?
Text: Patrick Herr
Wenn ich jedes Mal nur einen Franken bekommen würde, wenn ich das Wort «Flexibilität» höre, könnte ich wahrscheinlich Ende des Jahres in Pension gehen. Und das, obwohl ich in unserer Senioritätsliste noch so einige Nummern vor mir habe. Für Manager ist das Senioritätsprinzip per se ein Hindernis in Sachen Flexibilität und seit jeher ein Dorn im Auge des Konzerns. Für Angestellte ist es ein elementarer Bestandteil der Arbeitsplatz- und Karrieresicherheit. Glanz und Ruhm würde demjenigen winken, der im Konzern als erstes dieses leidige Senioritätsprinzip wirksam aushebeln könnte. Es kostet viel Geld, ist starr und unflexibel, und dann auch noch so veraltet. Undynamisch, könnte man sagen. Der Konzern kann nicht atmen im engen Korsett der Seniorität, weil sie allen spontanen Anpassungsmöglichkeiten von vornherein den Garaus macht. Wie viel angenehmer wäre es doch, wenn es ein moderneres Prinzip gäbe, nach dem Karriereschritte gemacht würden. Das Leistungsprinzip zum Beispiel, wie es ja in der freien Wirtschaft in Berufen unserer Gehaltskategorie auch zum Tragen kommt.
Das Lieblingsprinzip
Ein leider sehr weit verbreitetes Prinzip. Verkürzt gesagt könnte man es so erklären, dass Karriere macht, wer gefällig ist oder wer wenigstens keine Minuspunkte sammelt. Besonders hilfreich ist eine möglichst stromlinienförmige Anpassung an die vorherrschenden Windverhältnisse oder das konsequente Fliegen unter dem Radar. Widerworte wirken eher karrierehemmend. Das liegt schon in der Natur der Sache: Wer möchte sich schon freiwillig einen möglichen Konkurrenten heranbefördern? Pluspunkte kann man in diesem Prinzip sammeln, indem man Entscheidungen der höheren Ebenen möglichst öffentlich unterstützt. Oder indem man sich für Vorgesetzte ins Schwert fallen lässt.
Einer Anekdote zufolge gab Maria Theresia von Österreich einmal ein prunkvolles Bankett. In dessen Verlauf liess der Verdauungstrakt der Kaiserin mit einer plötzlichen, heftigen Flatulenz von sich hören – schon damals eine ganz und gar nicht königliche Tischmanier. Das peinliche Schweigen nutzte ein junger Leutnant und entschuldigte sich für seinen Furz. Der Erzählung nach lohnte sich das Engagement für den jungen Mann. Die Königin beförderte ihn kurzerhand zum Oberleutnant.
Schlägt man jetzt den Bogen zur Fliegerei findet man schon die Schwächen des Systems. Zum einen finden bei uns nur selten Bankette statt, sodass die Chancen für solche Glanztaten gering sind. Andererseits wird es bei 1400 Pilotinnen und Piloten schnell schwierig, genügend derart heroische Lieblinge zu finden, um die betrieblichen Bedürfnisse zu erfüllen. Wie oft müsste dann wohl bei Tisch flatuliert werden, um genügend Kandidaten für die zu füllenden Upgrading-Kurs zu finden? Das wäre schon olfaktorisch gesehen nicht wirklich wünschenswert. Wir brauchen also ein anderes Prinzip, das in der komplexen Welt der Fliegerei bestehen kann.
Das Leistungsprinzip
Immerhin geht es bei diesem Prinzip äusserst fair zu, oder zumindest sehr transparent. Befördert wird, wer Leistung bringt. Es ist ein ergebnisorientiertes Prinzip, will heissen: Das Resultat zählt. Dabei ist es gleichgültig, wer welche Talente, Voraussetzungen oder sonstige Spezialitäten mitbringt. Sogar das Geschlecht der Mitarbeitenden spielt hier keine Rolle. Und ganz besonders irrelevant sind zwischenmenschliche Befindlichkeiten. Denn wenn ich meine Leistung im geforderten Mass erbringe, ist es unerheblich, ob mein Chef mich mag oder nicht. Schleimerei oder sogar nur Kollegialität wären überflüssig. Wie menschliche Roboter könnten wir unserer Arbeitspensum abspulen, befreit von diesem Ballast der zwischenmenschlichen Beziehungen. Nur messbar müsste unsere Leistung sein, denn das Leistungsprinzip im Personalwesen braucht ja letztlich eine Art Ranking. Daher wäre mein Vorschlag ein Punktesystem. Einen Flug ohne Absturz von A nach B zu bringen, gäbe hundert Punkte. Eine Landung unter 2,0 g gibt fünfzig Zusatzpunkte. Richtig einschenken würden gemeisterte Notsituationen. So könnte ein Triebwerkausfall mit 500 Punkten glatt zehn harte Landungen kompensieren. Ein Durschnitt von 4,5 im Simulatorcheck gibt 50 Extrapunkte. Für einen in allzu gebrochenem Englisch verfassten Rapport sind natürlich 5 Minuspunkte fällig, ebenso wie für jedes zu viel getankte Kilogramm Kerosin. Ganz wichtig ist natürlich, möglichst keine Fehler zu machen. Und wenn doch mal einer passiert, ist es von grösster Wichtigkeit, diesen auf gar keinen Fall an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen, denn dann leidet ja das eigenen Punktekonto. Viel besser wäre es doch, wenn stattdessen das Konto des Kollegen – sprich Konkurrenten – ein bisschen geschröpft würde! Klingt all das jetzt nicht wahnsinnig sinnvoll in Bezug auf die Fliegerei? Finde ich auch. Damit ist auch das Leistungsprinzip bei Piloten leider auch nur begrenzt anwendbar, da unser Beruf naturgemäss wenig messbare Ergebnisse erzeugt. Ein pünktlicher Abflug liegt ebenso wenig in unserer Hand wie das Wetter. Wir operieren in einem hochkomplexen System und sind nicht zuletzt dafür da, eventuelle Notfälle zu meistern. Wie möchte man also einen Flug qualitativ bemessen? Genau – es geht nicht.
Das Senioritätsprinzip
Wenn es doch nur ein althergebrachtes, etabliertes und krisenerprobtes Prinzip gäbe… Nein, das Senioritätsprinzip wirkt nicht leistungssteigernd. Ja, es ist recht starr und unflexibel. Dennoch: in einem Umfeld wie der Fliegerei, in dem die Sicherheit den höchsten Stellenwert aller Ansprüche hat (zumindest wird das gerne öffentlichkeitswirksam so propagiert), ist es das sicherste Prinzip. Sicher in diesem Zusammenhang vor allem für die Operation, erst in zweiter Linie für den Arbeitsplatz. Ein ehemaliger CEO der SWISS, seines Zeichens berühmt für besonders empathischen Umgang mit der Belegschaft, verglich dieses Prinzip einst gar mit einem «Beamtenstadel». Eine Abkehr vom Beamtenstadel konnte aber auch er nicht verwirklichen. Vielleicht lag es an den wenig attraktiven Alternativen, siehe oben. Oder vielleicht dämmerte es irgendwann, dass das Prinzip der Beförderung nach Seniorität in einer sicherheitssensiblen Branche vielleicht doch gar nicht so verkehrt ist. Immerhin sorgt es dafür, dass die Benutzung der Ellbogen für den Karrierefortschritt ausbleiben kann. Als Pilot muss ich meine Kolleginnen und Kollegen nicht ausstechen und muss nicht gegen sie arbeiten. Ich muss mich nicht profilieren (auch wenn das leider trotzdem in manchen Köpfen drinsteckt), und ich muss nicht nach oben buckeln (auch das wissen leider nicht alle).
Rapportwesen auf Abwegen
Ein kleines Gedankenspiel zeigt auf, welche Folgen eine Firmenkultur ohne Senioritätsprinzip für unsere Arbeitsweise hätte. Ohne Senioritätsprinzip könnten wir nicht mal grob abschätzen, wann eine Weiterbildung oder ein Beförderungsschritt fällig wird. Wenn ich als First Officer nicht in etwa ausrechnen kann, wann eine Beförderung fällig wird, muss ich meine Chancen verbessern, wenn ich irgendwann mal drankommen möchte. Will heissen, ich verfalle in die beiden vorher beschriebenen Muster. Ich muss mit allen Mitteln dafür sorgen, dass die Entscheidungsträger mich liebhaben. Weil die wenigsten Menschen gerne Leute um sich scharen, die anderer Meinung sind als sie selbst, erreiche ich das durch möglichst wenig Widerspruch. Wenn etwas falsch im Unternehmen läuft, behalte ich das lieber für mich, anstatt es zu rapportieren. Das wäre dann allerdings endgültig das Ende unseres ehrlichen Rapportwesens und der lange herbeigesehnten «Just culture».
Alternativ könnte ich natürlich gemäss Leistungsprinzip Vollgas geben. Ich könnte dafür sorgen, der mit Abstand beste Pilot der ganzen Fliegerei zu werden (wenn mir jemand einen Tipp geben könnte, wie ich das anstellen soll – immer her damit). Selbstverständlich würde ich auch dann fliegen gehen, wenn ich krank oder völlig übermüdet bin, schliesslich müsste ich ja Punkte sammeln. Elementar wichtig wäre natürlich auch, die Konkurrenz kurz zu halten. Die Konkurrenz wären dann meine Kolleginnen und Kollegen. Um freie Plätze in den Umschulungskursen zu schaffen, müsste ich sie wo immer möglich diskreditieren. Jedes noch so kleine Fehlverhalten und jede unsauber gebundene Krawatte würde ich selbstverständlich melden. Eine harte Landung vom Captain würde ich freudestrahlend zur Kenntnis nehmen und sofort den jeweiligen Stellen zu Protokoll geben. Und was gäbe es Schöneres, als wenn der Kollege im Cockpit einen Fehler macht und es nicht selbst bemerkt! Ruhigen Gewissens könnte ich ihn ins Messer laufen lassen, um später beim Chef stolz anmerken zu können: «Also ich, ich hatte das ja schon längst bemerkt.» Es gibt Airlines, bei denen das so, oder so ähnlich funktioniert. Interessanterweise sind das dann die Fluggesellschaften mit teils haarsträubenden Zwischenfällen. Ein Schelm, wer da einen Zusammenhang wittert.
Heterogenität als Herausforderung
Niemand, weder Passagier noch Manager, kann sich solche Zustände im Cockpit wirklich wünschen. Zumindest dann nicht, wenn man sich kurz die Mühe macht, die Folgen etwas weiter als bis zur ach so dringend benötigten Flexibilität zu bedenken. Mit einer Abkehr vom Senioritätsprinzip könnten wir uns auch von der Idee einer offenen Fehlerkultur direkt verabschieden und damit von einem der wichtigsten Bausteine der Flugsicherheit.
In unserer Firma wird bereits in der Ausbildung eine gewisse Philosophie vermittelt. In Nuancen verändert die sich zwar immer mal wieder, im Kern ist sie aber immer noch gleich. Grundpfeiler ist dabei die Fehlerkultur. Es gilt zu akzeptieren, dass Menschen Fehler machen. Ganz vermeiden lassen sie sich sowieso nicht, entscheidend ist der Umgang damit. Man kann Fehler entweder unter den Tisch kehren (siehe Leistungsprinzip und Lieblingsprinzip), oder man kann aus ihnen lernen. Dafür muss man sie aber zugeben und darf keine Angst vor Konsequenzen haben.
Wir arbeiten alle nach ähnlichen Prinzipien. Zusammen mit Standardverfahren arbeiten wir auf einem ähnlichen Niveau und nach einem vergleichbaren Wertesystem. Unter anderem deswegen läuft es bei uns vergleichsweise harmonisch. Quereinsteiger müssen sich erstmal in dieses Wertesystem einfinden und die neuen Umgangsformen verinnerlichen. Das sorgt ganz automatisch für etwas Reibung. Ja, es gibt genügend Beispiele von Firmen, die auf Quereinsteiger bauen. Die Firmenphilosophie beschränkt sich dann in der Regel auf Standardverfahren und ein absolut rigides Regiment. Wer nicht spurt, fliegt raus. Wie grossartig das funktioniert (oder eben nicht), zeigt ein Blick auf Vorfälle in der jüngeren Vergangenheit. Auch die SWISS, die Edelweiss und andere Airlines der Lufthansa Group bleiben von Vorfällen natürlich nicht verschont. Betrachtet man Zwischenfälle von Fluggesellschaften wie Emirates oder Turkish Airlines, finden wir bei diesen überraschend viele Zwischenfälle, die auf teils haarsträubende Pilotenfehler zurückzuführen sind. Beispielhaft erwähnen möchte ich hier Emirates Flug 207, der 2017 in New York zweieinhalb Meilen vor der Piste schon unter 200 Fuss absank. Oder Turkish Airlines Flug 30: Die Piloten versuchten letztes Jahr in Newark, in der Meinung bereits auf der Startpiste zu sein, auf einem Rollweg zu starten. Beides Zwischenfälle, die glimpflich abgelaufen sind, aber durchaus Potenzial für eine Katastrophe gehabt hätten. Gerade der Fall von Turkish Airlines lässt tief in die Firmenkultur blicken. Anstatt den Fehler zuzugeben, behauptete der Captain, den Start wegen eines technischen Defekts abgebrochen zu haben. Turkish Airlines hält sich traditionell bei der Kommunikation von Zwischenfällen stark zurück. Nicht bestätigten Gerüchten von Mitarbeitern zufolge wurden die beiden Piloten gefeuert. Das würde auch die Lüge des Captains erklären – wer nach einem Fehler sofort um seinen Job bangen muss, wird alles tun, um seine Fehler zu vertuschen. Diese Liste könnte man noch lange fortsetzen.
Natürlich sind das nun keine schlagkräftigen Beweise für die Existenzberechtigung des Senioritätsprinzips. Aber solche Zwischenfälle sollten zumindest ein paar Fragen aufwerfen, ob die Philosophie im Umgang mit Fehlern in diesen Unternehmen wirklich das Gelbe vom Ei ist. Und allemal zeigen sie auf, dass das willkürliche Zusammenwürfeln verschiedenster Piloten aus aller Herren Länder, deren einzige Gemeinsamkeit das Beherrschen von Standardverfahren ist, gewisse Risiken birgt. Natürlich spielen da noch andere Faktoren mit, allen voran Verständigungsprobleme. Aber: Wenn ich als Pilot weiss, dass die Kollegin oder der Kollege neben mir nach gleichen Standards aus- und weitergebildet wurde wie ich, schafft das Vertrauen. Und im Cockpit in einer Notsituation auf den Kollegen nebendran vertrauen zu können, ist absolut essenziell.
Fehler machen dürfen
Auch wenn ich es gerne glauben möchte, muss ich davon ausgehen, dass wir bei der SWISS und Edelweiss nicht per se die besten Piloten der Welt sind. Also muss es andere Gründe haben, warum wir in der jüngeren Vergangenheit von derartigen Zwischenfällen verschont geblieben sind. Blicken wir weiter zurück, finden wir auch bei uns Vorfälle wie beispielsweise den Crossair-Flug 3597 im Jahr 2001. Der Captain sank beim Anflug auf Zürich zu früh ab. Der AVRO flog in eine bewaldete Anhöhe in der Nähe von Bassersdorf, touchierte die Bäume und stürzte ab. 24 Menschen kamen ums Leben. Von den bereits im Vorfeld vielfach dokumentierten qualifikatorischen Mängeln des Captains abgesehen, rückte im strafrechtlichen Prozess die fragwürdige Firmenphilosophie der Crossair um ihren Gründer Moritz Suter ins Licht. Ihm wurde vorgeworfen, gerade junge Piloten gezielt unter Druck zu setzen. Die Firmenleitung hatte laut Staatsanwaltschaft bewusst eine «Angstkultur» geschaffen und gefördert, die vielfach eine bewusste Missachtung von Vorschriften zur Folge hatte. Ein internes Rapportsystem, wie es schon damals Pflicht war, wurde praktisch blockiert, Widerspruch gegenüber der Firmenleitung wurde laut Anklageschrift systematisch unterbunden. Damit wurden die Vorzüge des Senioritätsprinzips in puncto Sicherheit ausgehebelt. Denn wo Angst vor der Firmenleitung herrscht, rutscht man schnell ins Lieblingsprinzip mit den oben beschriebenen Folgen. Möglicherweise ist das Senioritätsprinzip nicht der Weisheit letzter Schluss, jedoch konnten seine Gegner bis heute keine vernünftige Alternative präsentieren. Dieses Prinzip fördert die Sicherheit wie kein anderes, da es mit der Just Culture ein elementarer Baustein dafür ist, ein Arbeiten ohne Angst vor möglichen Konsequenzen wegen Fehlern zu ermöglichen. In Unternehmen mit einer gesunden oder wenigstens gesünderen Unternehmenskultur müssen Mitarbeitende keine Angst vor Konsequenzen haben, wenn sie einen Fehler melden. Das kann natürlich kein Freischein für grobe Fahrlässigkeit sein, sorgt aber dafür, dass Fehler seltener unter den Teppich gekehrt werden. Zudem kann man aus Fehlern bekanntlich lernen. Davon kann die ganze Organisation nur profitieren. Es verleitet nicht zur Risikoneigung und es erspart Mitarbeitenden und Vorgesetzten unangenehme Kriecherei. Im Übrigen ist die Aussage des besagten ehemaligen CEOs schlichtweg falsch, wenn er sagt: «Ich weiss heute schon, was ich in 27 Jahren verdiene». Das Senioritätsprinzip ist nämlich keinesfalls ein Automatismus für Beförderungen, wie es im «Beamtenstadel» der Fall wäre. Es garantiert lediglich, dass jedem Mitarbeiter entsprechend seiner Seniorität die Chance auf eine Beförderung oder eine Umschulung gegeben wird. Von der Pflicht zur Leistungserbringung entbindet das Senioritätsprinzip keinesfalls. Schliesslich muss trotzdem jeder erstmal das Upgrading zum Captain, sozusagen die Meisterprüfung, oder die Umschulung auf einen anderen Flugzeugtypen bestehen, was keinesfalls selbstverständlich ist. Will heissen: Herrn Hohmeisters Aussage wäre nur dann richtig, wenn das Bestehen des Upgradings vertraglich zugesichert wäre.
Stellenwechsel erschwert
Warum Managern das Prinzip ein Dorn im Auge ist, liegt in seiner Starrheit. Werden im Fall eines schnellen Wachstums kurzfristig Flight Crew Member gebraucht, könnte man diese auf dem freien Markt rekrutieren. Das ist allerdings nicht ganz günstig – PSA Airlines, eine Tochter von American Airlines rekrutiert derzeit Direkteinsteiger. Captains lockt die Airline neuerdings mit einem Einstiegssalär von bis zu 212 000 US-Dollars, First Officers mit bis zu 142 000 US-Dollars. Diese Löhne zeigen schon sehr deutlich, dass Piloten zu einer Mangelware geworden sind. Wer schnell wachsen möchte, muss hohe Löhne anbieten. Das Problem: In Fluggesellschaften wie der unseren mit strengem Festhalten an der Seniorität müssen Neueinsteiger ganz unten in der Liste einsteigen. Für einen bereits erfahrenen First Officer ist das nicht besonders attraktiv, was die Personalbeschaffung in einem hart umkämpften Markt schwierig macht. Trotzdem bring das Senioritätsprinzip auch für die Firma einige Vorteile mit sich. Neben den zuvor beschriebenen positiven Auswirkungen auf die Firmenkultur und die Sicherheit erzwingt die Senioritätsliste gewissermassen ein hohes Mass an Loyalität. Denn auch wenn die Seniorität unsere Karriere berechenbarer macht, bindet sie uns auch in hohem Masse an unser Unternehmen. Wir können nicht einfach so den Job wechseln, da wir uns in den meisten Airlines wieder ganz hinten anstellen müssten. Damit ergäben sich für die Firma gewaltige Ersparnisse. Denn neue Piloten müssen zeit- und kostenintensiv ausgebildet werden – eine Neuanstellung, egal in welcher Branche, verursacht gemäss Personalvermittlern Kosten im Rahmen eines Bruttojahressalärs
Wenn von heute auf morgen alle Airlines auf das Senioritätsprinzip verzichten würden, wäre ein wilder Wettbewerb auf dem Personalmarkt die Folge. Piloten würden einfach dorthin wechseln, wo bessere Bedingungen herrschen, höhere Löhne gezahlt werden oder bessere Karrierechancen locken. Dann könnte es am Züricher Flughafen plötzlich sehr ruhig werden. Und das will doch nun wirklich niemand, nicht wahr? ♦